STELLUNGNAHME DES LEGAL TECH VERBAND DEUTSCHLAND

zum Fragebogen „Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung und der Patentanwaltsordnung zum Fremdbesitz“ des Bundesministeriums der Justiz vom 17. Oktober 2023

Der Legal Tech Verband Deutschland (im Folgenden “Verband”) setzt sich für die Gestaltung eines fortschrittlichen und innovationsfreundlichen regulatorischen Umfelds ein, das Rechtssicherheit für Legal Tech Unternehmungen innerhalb und außerhalb von Rechtsanwaltskanzleien schafft. Dabei orientiert sich der Verband an dem Ziel, Rechtsuchende, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen und den Rechtsstaat zu stärken. Wir bedanken uns für die Möglichkeit, zum Fragebogen Stellung nehmen zu können.

 

A. Praktisches Bedürfnis und Chancen

1. WO SEHEN SIE DIE VORTEILE EINER MÖGLICHEN LOCKERUNG DES FREMDBESITZVERBOTES? KÖNNTE EINE SOLCHE LOCKERUNG INSBESONDERE:

a) Chancen für die Entwicklung des Anwaltsmarkts eröffnen?

Eine Lockerung des Fremdbesitzverbotes birgt enormes Potential für die Entwicklung des Verbraucherrechtsmarktes. Denn in den meisten Rechtsgebieten, in denen es um Verbraucheransprüche geht, sind die Gewinnmargen der Anwältinnen und Anwälte aufgrund kleiner Streitwerte sehr begrenzt. Gleichzeit sehen sich Verbraucher gerade in diesen Fällen häufig viel stärkeren Gegnern mit Unternehmensrechtsabteilungen und externen Beratern ausgesetzt, und nehmen wegen des „rationalen Desinteresses“ von der Durchsetzung ihrer Ansprüche Abstand: Innerhalb von 15 Jahren nahmen nach der BMJ-Studie von 2023 von Meller-Hannig die Eingangszahlen bei den Amtsgerichten um 35 Prozent ab. Dabei spielt auch die Kostendynamik im Gerichtskosten- und Anwaltsvergütungsrecht eine Rolle, die dazu führt, dass ein Anspruchsinhaber ein Kostenrisiko von rund 500 Euro trägt, wenn er 250 Euro einklagen möchte, und das bei oft ungewisser Erfolgsaussicht.

Es ist für die angemessene Vertretung von Verbrauchern deshalb entscheidend, Investments in Technologien zu tätigen und damit Effizienzen aus hohen Zahlen ähnlich gelagerter Fälle zu hebeln. Die entsprechenden Geschäftsmodelle ermöglichen es, auch bei hohen Online-Marketingkosten eine Rentabilität abzubilden. Es gibt in den Bereichen mit geringen Einzelumsätzen nur vereinzelte Anbieter, die Verbraucherrechts-Themen besetzen, wie etwa die conny GmbH (weniger-miete.de), flightright oder rightmart (hartz4-widerspruch.de). Häufig bieten sie den Verbrauchern Rechtsdienstleistungen ohne Kostenrisiko (no win, no fee) an, um das geschilderte Kräfteverhältnis auszugleichen.

Der Einsatz von solchen Vergütungsmodellen und von Technologie, wie auch die strukturierte Erhebung, Speicherung und Verarbeitung von Daten, alles Grundlagen der Automatisierung, führen zu einem erhöhten Finanzierungsbedarf. Damit verwundert es auch nicht, dass conny (weniger-miete.de) und flightright keine Rechtsanwaltskanzleien sind, damit durch beteiligte Investoren finanziert werden können und davon auch Gebrauch gemacht haben.

Das Angebot derartiger “kostenloser” Rechtsdienstleistungen am Verbraucherrechtsmarkt sind aber schlechthin konstituierend für die Ermöglichung der Durchsetzung von Verbraucher-Ansprüchen. Der Verbraucher wird nämlich häufig erst durch derartige Geschäftsmodelle über das Bestehen seiner Ansprüche informiert und durch das fehlende Kostenrisiko incentiviert, seinen Anspruch durchsetzen zu lassen.

Damit schaffen die kostenintensiven Technologie- und Marketingoffensiven der Verbraucher-Legal-Tech-Angebote häufig erst den Zugang der Verbraucher zum Markt und damit zu ihrem Recht. Der Rechtsstaat kann zukünftig gerade nicht daraufsetzen, dass – wie bei dem Dieselskandal – die geballte Medienlandschaft in Deutschland den rechtsunkundigen Verbraucher über den Skandal und seine damit verbundenen Ansprüche informiert. Dort gab es einen derart hohen Umsatz pro Einzelmandat, dass auch mit nicht technologischen und weitgehend ineffizienten Strukturen trotz hoher Akquisekosten des Onlinemarketing ein Gewinn durch die Rechtsanwaltskanzleien erwirtschaftet werden konnte.

Damit auch die Rechtsanwaltschaft derartige Rechtsdienstleistungen anbieten kann, ist die Ermöglichung der Aufnahme von Wagniskapital – auch in Form von Eigenkapital – zu fördern.

Ohne entsprechendes Risikokapital für die Rechtsanwälte ist die Gefahr groß, dass der Rechtsmarkt der Nicht-Anwaltschaft überlassen wird. Ein Paradigmenwechsel hat spätestens mit Chat-GPT begonnen und droht rasant Fahrt aufzunehmen. Verbraucher werden sich zukünftig genau überlegen, ob sie für die Lösung ihrer Rechtsprobleme entgeltlich einen Rechtsanwalt beauftragen oder kostenlos ein weitgehend rechtlich fundiertes Schreiben an die Gegenseite durch Chat-GPT erstellen lassen.

Anders als bei der rechtlichen Beratung von Verbrauchern ist ungewiss, ob die Lockerung des Fremdbesitzverbotes für den bundesdeutschen B2B-Rechtsmarkt – also die Beratung von Unternehmen durch sogenannte Wirtschaftskanzleien – starke Auswirkungen haben wird. Das Beratungsgeschäft vieler B2B-Kanzleien ist stark an die Personen der einzelnen Partner:innen gebunden. Diese Abhängigkeit von Personen ist für einen Investor tendenziell uninteressant. Umgekehrt werden starke Partnerinnen oder Partner womöglich kein Interesse daran haben, einen relevanten Anteil ihrer Gewinnansprüche an Investoren abzugeben, wenn sie ähnliche Erträge in „reinen“ Partnerschaften erzielen können.

 

b) die (internationale) Wettbewerbsfähigkeit der Anwaltschaft verbessern?

Die internationale Wettbewerbsfähigkeit kann vor allem im B2B-Rechtsmarkt eine Rolle spielen. Hier dürften Technik-Investitionen in Zukunft eine immer größere Rolle spielen, um eine globale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Es ist auffällig, dass zum Beispiel die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften („Big4“) bereits jetzt massive Investitionen in KI-Produkte wie „Harvey“ tätigen, welche die Rechtsberatung automatisieren sollen, um damit ihre Anteile am Kernbereich der Rechtsberatung auszudehnen.

Hingegen werden Rechtsdienstleistungen auf dem Verbraucherrechtsmarkt vornehmlich durch nationale Anbieter erbracht. Allerdings sollte vor dem Hintergrund des durch Chat-GP eingeleiteten Paradigmen-Wechsel das datenbasierte Wissen um das nationale Recht nicht ausländischen Softwareunternehmen überlassen werden. Insofern ist auch in dieser Hinsicht die Ermöglichung von Risikokapital wünschenswert.

c) Chancen für die digitale Transformation des Anwaltsmarkts schaffen?

Die digitale Transformation des Anwaltsmarktes hat vor allem zwei Komponenten, die digitale Erhebung der Daten und die digitale Mandatsbearbeitung. Beide erfordern einen hohen Investitionsbedarf für Technologien. Dabei sind sowohl Investitionen in die Technologien für die Mandatsbearbeitung als auch in Technologien für die Datenerhebung und -strukturierung zu tätigen.

Strukturiert aufbereitete Daten sind eine unabdingbare Voraussetzung für eine Digitalisierung des Anwaltsmarkts und auch für die (zukünftige) Anwendung von KI-Applikationen. Sofern ein Rechtsdienstleister für die digitale Mandatsbearbeitung strukturiert aufbereitete Daten verwenden möchte, sollten diese bereits im Rahmen der sogenannten customer journey (“Reise des Mandanten zur Mandatierung”) strukturiert aufbereitet erlangt werden. Damit der Mandant vom „Kontakt“ zur Mandatierung nicht bei einer ermüdenden Datenabfrage abspringt, müssen durch Technologien geeignete Wege geschaffen werden, die Daten zu erheben, wie bspw. dass die Daten aus den von den Mandanten hochgeladenen Dokumenten weitgehend automatisch ausgelesen und auch automatisch strukturiert abgelegt werden.

Daher müssen sowohl für die digitale Erhebung der Daten als auch für die digitale Mandatsbearbeitung softwareunterstützte Prozesse aufgesetzt werden, welche in der Form am Markt nicht erhältlich sind. Die herkömmliche Anwaltssoftware kann das nicht leisten. Derartige Technologien müssen daher (kostenintensiv) entwickelt werden.

Derartige Technologien sind für die rechtliche Beratung von Verbrauchern jedoch notwendig, um auf Dauer Effizienzen zu schaffen und so qualitativ hochwertige Dienstleistungen im “eng-margigen” Verbraucherrechtsmarkt anbieten zu können.

Qualitativ hochwertige Dienstleistungen setzen ferner eine Bündelung von Know-how voraus. Diese Bündelung kompensiert bei der Durchsetzung von Verbraucher-Ansprüchen gegen Großunternehmen die “David-Goliath-Situation”. Durch die massenhafte Bearbeitung von gleichgelagerten Verfahren können durch datenbasierte, technologische Strukturen leistungsfähige Berater auf der Verbraucherseite aufgebaut werden. Verschiedene Legal-Tech-Unternehmen und einige wenige Kanzleien haben dies in der Praxis schon bewiesen. Dieser Markt wird jedoch vornehmlich von nicht-anwaltlichen Unternehmen als Legal-Tech-Inkassogesellschaften beherrscht (wie conny GmbH, flightright, financialright etc.). Durch verschiedene Gerichtsurteile ist die Zulässigkeit der entsprechenden Geschäftsmodelle inzwischen auch rechtlich geklärt.

Die Marktverschiebung durch Nichtanwälte findet damit bereits jetzt – wenn auch teilweise wenig transparent – im Hintergrund statt und wird irgendwann kaum noch umzukehren sein. Die Rechtsanwaltschaft wird sich daher in diesem Bereich nur noch über Investitionen (wieder) etablieren können. Andernfalls kann nicht verhindert werden, dass der Verbraucherrechtsmarkt von nicht-anwaltlich konzipierten Unternehmen – zumindest außergerichtlich – komplett übernommen wird. Davon aber leben viele kleine und mittelgroße Anwaltskanzleien in Bereichen wie Mietrecht Verkehrsrecht, Arbeitsrecht, Sozialrecht, Familienrecht und vielen anderen Rechtsgebieten.

 

2. WELCHE FINANZIERUNGSMODELLE SOLLTEN DURCH EINE SOLCHE LOCKERUNG ERMÖGLICHT WERDEN?

Wir schlagen vor, die folgenden Einschränkungen der Anwältinnen und Anwälten aufzulösen und sie damit wettbewerbsfähig zu machen:

(1) Verbot von gesellschaftlichen Beteiligungen (§§ 59a f. BRAO) und dem damit eng verknüpften § 27 BORA (Verbot der Beteiligung am wirtschaftlichen Ergebnis anwaltlicher Tätigkeit)

(2) Verbot von Prozessfinanzierung (§ 49b II 2 BraO)

(3) Provisionsverbot (§ 49b III BraO)

(4) starke Reglementierung von Erfolgshonoraren (§ 49b II 1 BraO)

Daneben gibt es noch starke Werbebeschränkungen (Sachlichkeitsgebot, § 43 b BRAO).

Rechtsanwälte haben einen klaren Wettbewerbsnachteil gegenüber Inkasso-Dienstleistern und anderen nicht-anwaltlichen Beratern (“Asymmetrie des Rechtsmarkts”, im Einzelnen dazu in Ziffer 1). Diese Wettbewerbsnachteile bestehen dabei nicht nur im Vergleich zu anderen Märkten, sondern gegenüber anderen Stakeholdern am selben Rechtsmarkt.

3. BESTEHEN IHRER AUFFASSUNG NACH ALTERNATIVE ODER ZUSÄTZLICHE MODELLE, WIE EIN – INSBESONDERE IN ANBETRACHT DER DIGITALEN TRANSFORMATION – GESTIEGENER FINANZIERUNGSBEDARF BEFRIEDIGT WERDEN KANN? WENN JA, WIE SEHEN DIESE MODELLE AUS UND IN WELCHEM UMFANG WERDEN SIE GGF. SCHON IN DER PRAXIS ANGEWANDT?

Um Widersprüche zu vermeiden, ist mit einer Lockerung der Fremdbeteiligung zwangsläufig auch § 27 BORA anzupassen (Verbot der Beteiligung am wirtschaftlichen Ergebnis anwaltlicher Tätigkeit).

Ferner können neben der Lockerung der Fremdbeteiligung die folgenden Maßnahmen zusätzlich den insbesondere in Anbetracht der digitalen Transformation – steigenden Finanzierungsbedarf befriedigen:

(1) Abschaffung/Lockerung des Verbots der Prozessfinanzierung für Rechtsanwälte (§ 49b II 2 BraO)

(2) Abschaffung/Lockerung des Provisionsverbot für Rechtsanwälte (§ 49b III BraO)

(3) Weitere Lockerung von Erfolgshonoraren (§ 49b II 1 BraO)

In der Praxis gibt es durchaus Modelle, welche die Grenzen dieser Regelung austesten. Allerdings gibt es angesichts des sehr restriktiven Wortlauts der Normen zur Zeit und – das ist entscheidend – keine Rechtssicherheit für derartige Geschäftsmodelle.

Gerade für die zu einer “Asymmetrie des Rechtsmarkts” führende starke Reglementierung von Erfolgshonoraren und für das Verbot von Prozessfinanzierung dürfte es im Vergleich zu den anderen Stakeholdern kaum noch eine sachliche Rechtfertigung geben.

Das Provisionsverbot für Rechtsanwälte (§ 49b III BRAO) und das Verbot der Beteiligung am wirtschaftlichen Ergebnis anwaltlicher Tätigkeit (§ 27 BORA) kann vor allem durch eine Begrenzung auf nicht-übliche Vertragskonstellationen interessengerecht ersetzt werden, wodurch die Gefahr einer Umgehung gebannt wird.

Bei den vorgeschlagenen Änderungen handelt es sich nicht um Alternativen, sondern um Ergänzungen zu einer Lockerung der Fremdbeteiligungsmöglichkeiten.

So würde die Möglichkeit für Rechtsanwälte, Prozessfinanzierung als Geschäftsmodell anzubieten, wiederum zu einem erhöhten Bedarf an Risikokapital führen, welcher durch eine Lockerung der Fremdbeteiligung ermöglicht werden könnte.

 

B. Mögliche Risiken

1. WO SEHEN SIE MASSGEBLICHE RISIKEN BEI EINER MÖGLICHEN LOCKERUNG DES FREMDBESITZVERBOTES, DIE BEI EINER GESETZLICHEN REGELUNG BERÜCKSICHTIG WERDEN MÜSSTEN? BESTEHEN INSBESONDERE RISIKEN FÜR:

 a) die Struktur des Anwaltsmarkts?

Eine Lockerung des Fremdbeteiligungsverbots bietet vor allem Chancen für die Anwaltschaft im Rahmen von Rechtsgebieten, die Verbraucher betreffen. Umgekehrt ist ohne eine Lockerung des Fremdbeteiligungsverbots und ohne weitere Maßnahmen zur Auflösung der dargestellten “Asymmetrie des Rechtsmarkts”, zu befürchten, dass die Anwaltschaft weiter gravierend an Bedeutung am Verbraucherrechtsmarkt verliert. Das hat die herkömmlichen Anwaltsorganisationen allerdings nicht daran gehindert, gegen die Öffnung des anwaltlichen Berufsrechts für neue Honorar- und Finanzierungsmodelle zu kämpfen.

Sicherlich lässt sich bei einer Lockerung des Fremdbeteiligungsverbots nicht ausschließen, dass es zu einer gewissen Konsolidierung am Anwaltsmarkt kommen kann. Es könnten sich einige „Großkanzleien für Verbraucherrecht“ bilden mit ähnlichen Ressourcen wie die typischen Großkanzleien im Wirtschaftsrecht, aber mit einer operativen Ausrichtung auf Verbraucherthemen.

Eine solche Entwicklung ist jedoch nicht negativ zu betrachten, da dadurch leistungsfähige Berater auf der Verbraucherseite entstehen und der Zugang zum Recht gestärkt wird.

b) die Sicherung der anwaltlichen Grundpflichten? Wenn ja, wo sehen Sie in Bezug auf anwaltliche Grundpflichten die wesentlichen Risiken?

Bereits die heutige anwaltliche Tätigkeit ist – wie nahezu jede Geschäftsbesorgung – von einer potenziellen Interessenkollision geprägt. Beispielsweise muss der Anwalt entscheiden, ob er dem Mandanten zu Rechtsmitteln rät oder nicht und das in dem Wissen, nur im Fall der Einlegung von Rechtsmitteln weitere Gebühren generieren zu können.

Auch gibt es schon heute große wirtschaftliche Abhängigkeiten von Rechtsanwaltskanzleien von Kooperationspartnern, etwa in der Konstellation des ADAC-Vertragsanwalts. Auch hier gilt es schon jetzt, widerstreitende Interessenlagen zwischen den Interessen des Kooperationspartners und den Interessen des Mandanten aufzulösen.

Die Praxis zeigt jedoch, dass die Rechtsanwälte in der Lage sind, mit diesem Spannungsfeld umzugehen, ohne dass es zur Verletzung von berufsrechtlichen Pflichten kommt. Die Sachlage ist dabei durchaus vergleichbar mit einem Investor, der teilweise konträre Interessen zu denen des Mandanten hat. Die wirtschaftliche Abhängigkeit von Kooperationspartnern ist nicht geringer als die von einem Investor. Häufig mag es sogar umgekehrt sein. Ein bereits beteiligter Investor hat sein Investment bereits in die Berufsausübungsgesellschaft eingebracht. Die Möglichkeit der operativen Einflussnahme hat er nur im Rahmen des geltenden Rechts. Sofern die beratenden Rechtsanwälte der Kanzlei versuchen, sich der Einflussnahme aufgrund von gesetzlichen Vorschriften zu verweigern, begründet dies kein Recht des Investors, das Investment “aufzukündigen”. Hingegen kann ein Kooperationspartner jederzeit der Berufsausübungsgesellschaft die Kooperation aufkündigen und damit in der Regel die wirtschaftliche Grundlage entziehen, wenn diese sich nicht “wie gewünscht verhält”.

Insofern zeigt die Praxis bereits jetzt, dass es sich bei der Frage der Interessenkollision um eine abstrakte Gefahr handelt, welche sich in der Realität des Rechtsmarkts nicht verwirklicht und sich auch im Fall der Zulassung von Investoren nicht weitergehend verwirklichen dürfte, zumal bereist jetzt die Regelungen in der BRAO weitreichende Unabhängigkeit im Mandat absichern.

 

2. HÄTTE EINE LOCKERUNG VORAUSSICHTLICH AUSWIRKUNGEN AUF DEN ZUGANG DER BÜRGERINNEN UND BÜRGER ZU ANWÄLTINNEN UND ANWÄLTEN? WENN JA, WELCHE?

Eine Lockerung des Fremdbesitzverbotes wird Investitionen in Technologien ermöglichen und fördern. Wie bereits im Abschnitt 1. a. dargestellt, ermöglichen vor allem Investitionen dieser Art am Verbraucherrechtsmarkt es, Effizienzen zu schaffen und qualitativ hochwertige Dienstleistungen am Verbraucherrechtsmarkt anzubieten.

Ferner wird regelmäßig erst die kostenintensive Marketingoffensive der Verbraucher-Legal-Tech-Angebote die Verbraucher über das Bestehen ihrer Ansprüche informieren und sie ferner incentivieren, ihre bestehenden Rechte auch durchzusetzen.

Für einen niedrigschwelligen Zugang zum Recht bedarf es nutzergerechter, digitaler Angebote; auch im Hinblick auf die “customer journey” bis hin zur Mandatierung (“eine Rechtsdienstleistung muss so einfach in Anspruch genommen werden können, wie die Bestellung einer Ware bei Amazon“). Auch die damit verbundenen Investments fördern den Zugang der Verbraucher zu den Rechtsanwaltskanzleien, die hier investieren.

Des weiteren dürfte es durch entsprechende Investitionen gelingen, Fälle aus dem Bereich „von Verbraucher-Schiedsgerichtsbarkeit“ (wie bspw. paypal- oder ebay-Käuferschutz) wieder zurück in den klassischen Rechtsmarkt zu holen, woran die Gesellschaft ein enormes Interesse hat. Durch das technisch bedingte Heben von Effizienzen am “eng-margigen” Verbraucherrechtsmarkt und der gleichzeitigen Möglichkeit der Prozessfinanzierung wird man auch die Anwaltschaft entsprechende Rechtsdienstleistung ohne Kostenrisiko (no win, no fee) Verbrauchern zukünftig als Alternative zu den privaten Schiedsbereichen anbieten können.

c) Mit welchen Regelungsmodellen kann möglichen Risiken begegnet werden?

Lockerungen des Fremdbesitzverbotes sind in höchst unterschiedlicher Intensität denkbar. Unter anderem könnten folgende Optionen unterschieden werden:

Option 1 (geringfügige Lockerung): Gesellschaftern, die nicht mehr aktiv in der Gesellschaft tätig sind, wird ein Verbleib in der Gesellschaft ermöglicht.

Option 2 (weitergehende Lockerung): Zulassung von mittelbaren Beteiligungen (Halten von Anteilen für Rechnung Dritter) und Gewinnbeteiligungen oder Beteiligungen am wirtschaftlichen Ergebnis der Gesellschaft.

Option 3 (umfassende Lockerung): Echte gesellschaftsrechtliche Beteiligung von Finanzinvestoren an der Gesellschaft selbst, die lediglich auf einen bestimmten Prozentsatz (z. B. etwa 25 %) begrenzt ist.

Bei der rechtlichen Gestaltung dieser Optionen könnten sich insbesondere die

nachfolgenden Fragen stellen:

1. Zu Option 1:

a) Müssten eigene Regelungen für mögliche Konflikte der Tätigkeit der Altgesellschafter geschaffen werden? Wenn ja, sollten diese Regelungen nur die Vertretung anderer Parteien durch den Altgesellschafter berücksichtigen oder auch die eigenen (wirtschaftlichen) Interessen der Altgesellschafter einbeziehen?

Beispiel: Kann die Berufsausübungsgesellschaft mit einer Klage gegen den Altgesellschafter mandatiert werden?

Zunächst dürfte eine derartige Option nicht geeignet sein, die gewünschten Effekte herbeizuführen. Diese Option kann vor allem eine wirtschaftliche Absicherung von “Ruheständlern” ermöglichen, kann aber keine Anreize für Wagniskapital schaffen, welches in digitale Strukturen investiert wird.

Im Rahmen der Frage scheint der Begriff “Altgesellschafter” missverständlich, da dieser dogmatisch in der Regel für ehemalige Gesellschafter benutzt wird.

Sofern das Beispiel danach fragt, ob die Berufsausübungsgesellschaft mit einer Klage gegen einen aktuellen, aber nicht mehr operativ tätigen Gesellschafter mandatiert werden kann, ist zunächst zu bemerken, dass es kaum einen praxisrelevanten Fall geben wird, bei welchem die Berufsausübungsgesellschaft – wenn ein solches Mandat denn überhaupt an diese herangetragen wird – dieses annehmen würde. Dem dürften aber wohl auch schon nach bestehender Rechtslage gängige Berufspflichten und gesellschaftliche Treuepflichten entgegenstehen. Regelungen können hierzu ferner auch aktiv im Gesellschaftsvertrag gestaltet werden. Jedoch kann eine Klarstellung durch den Gesetzgeber erfolgen, dass derartige Klagen nicht zulässig sind. Derartige Regelungen werden jedenfalls keine Berufsausübungsgesellschaft davon abhalten, Wagniskapital in Form von Eigenkapital von einem nicht mehr operativ tätigen Gesellschafter anzunehmen.

b) Müssten mögliche Kontroll- und Informationsrechte der Altgesellschafter eingeschränkt werden?

Sofern auch hier danach gefragt wird, ob mögliche Kontroll- und Informationsrechte nicht mehr operativ tätiger Gesellschafter eingeschränkt werden sollen, ist dem zuzustimmen. Es ist zwar bei einem ehemals operativ tätigen Rechtsanwalts-Gesellschafter keine gleichgelagerte abstrakte Gefahrenlage wie bei einem strategischen Investor gegeben. Dennoch sollte sichergestellt werden, dass die Mandatsarbeit dem (den) mandats-betreuenden Rechtsanwalt(en) obliegt und eine Einflussnahme durch Investoren nicht erfolgt.

Ferner darf die anwaltliche Verschwiegenheit der Berufsausübungsgesellschaft bzw. der operativ tätigen Rechtsanwälte auch gegenüber nicht mehr operativ tätigen Gesellschaftern der Berufsausübungsgesellschaft nicht verletzt werden.

In der Betrachtung der entsprechenden Problematik ist zwischen der gesellschaftsrechtlichen und berufsrechtlichen Ebene zu unterscheiden, wobei die berufsrechtlichen Regelungen die Möglichkeiten der berufsrechtlichen Ebene bestimmen bzw. einschränken. Dies dürfte schon nach der aktuellen Rechtslage aufgrund der entsprechenden berufsrechtlichen Pflichten sichergestellt sein. Allerdings kann eine Klarstellung durch den Gesetzgeber erwogen werden.

 

2. Zu Option 2:

a) Müssten mögliche Kontroll- und Informationsrechte von Personen, die mittelbar an der Gesellschaft beteiligt sind, eingeschränkt werden?

Die Option 2 dürfte keinen Vorteil gegenüber direkten Beteiligungen bieten, da die abstrakten Gefahren, welche eine Beteiligung von Investoren mit sich bringt, durch mittelbare Beteiligungen eher verstärkt werden. Dies gilt insbesondere angesichts der eingeschränkten Transparenz von mittelbaren Beteiligungen.

Gerade bei verdeckten Beteiligungen muss sichergestellt werden, dass die Mandatsarbeit dem (den) mandats-betreuenden Rechtsanwalt(en) obliegt und eine Einflussnahme durch Investoren nicht erfolgt. Ferner darf auch die anwaltliche Verschwiegenheit gegenüber den Investoren der Berufsausübungsgesellschaft nicht verletzt werden.

Auch dabei ist zwischen der gesellschaftsrechtlichen und berufsrechtlichen Ebene zu differenzieren. Maßgeblich ist, dass die berufsrechtlichen Regelungen die Möglichkeiten der berufsrechtlichen Ebene bestimmen bzw. einschränken. Dies dürfte schon nach der aktuellen Rechtslage aufgrund der entsprechenden berufsrechtlichen Pflichten sichergestellt sein. Allerdings kann eine Klarstellung durch den Gesetzgeber erwogen werden.

b) Wie sollte mit möglichen Interessenkonflikten umgegangen werden, die die wirtschaftlichen Interessen der mittelbar beteiligten Personen betreffen?

Beispiel: Ein Venture Capital Investor hält Genussrechte an einer Berufsausübungsgesellschaft. Darf die Berufsausübungsgesellschaft ein Mandat übernehmen, das eine Klage gegen a) den Investor, b) eine seiner Tochtergesellschaften oder c) die Muttergesellschaft beinhaltet?

Auch bei dieser Frage ist zunächst zu bemerken, dass es kaum einen praxisrelevanten Fall geben wird, bei welchem die Berufsausübungsgesellschaft – wenn ein solches Mandat denn überhaupt an diese herangetragen wird – dieses annehmen würde. Es dürfte keinerlei Motivation geben, derartige Unruhe in das Verhältnis zu dem mittelbar beteiligten Investor zu bringen.

Ferner dürften der Mandatsführung bei derartigen Klagen wohl auch schon nach bestehender Rechtslage gängige Berufspflichten und regelmäßig auch vertragliche Pflichten aus dem Investmentvertrag entgegenstehen. Jedoch kann eine Klarstellung durch den Gesetzgeber erfolgen, dass derartige Klagen nicht zulässig sind. Dies wird keine Berufsausübungsgesellschaft davon abhalten, Wagniskapital durch einen mittelbar beteiligten Investor anzunehmen.

3. Zu Option 3:

a) Müssten gesellschaftsrechtliche Informationsansprüche (vgl. § 131 Abs. 1, § 326 AktG; §§ 118, 166, 294 Abs. 3 Satz 2 HGB; § 51a GmbHG; § 716 BGB) auf nichtmandatsbezogene Auskünfte beschränkt werden?

Wie wäre ein möglicher Konflikt mit den Gesellschafterrechten zu bewerten?

Es muss in jedem Fall sichergestellt werden, dass die Mandatsarbeit dem (den) mandats-betreuenden Rechtsanwalt(en) obliegt und eine Einflussnahme durch Investoren nicht erfolgen kann. Ferner darf die anwaltliche Verschwiegenheit der Berufsausübungsgesellschaft bzw. der operativ tätigen Rechtsanwälte auch gegenüber Investoren nicht verletzt werden.

Damit ist auch Kern dieser Frage eine Differenzierung zwischen der gesellschaftsrechtlichen und berufsrechtlichen Ebene. Maßgeblich ist, dass die berufsrechtlichen Regelungen die Möglichkeiten der berufsrechtlichen Ebene bestimmen bzw. einschränken. Dies dürfte schon nach der aktuellen Rechtslage aufgrund der entsprechenden berufsrechtlichen Pflichten sichergestellt sein.

Allerdings kann eine Klarstellung durch den Gesetzgeber erwogen werden, dass entsprechende Informationsansprüche versagt werden müssen, wenn dadurch berufsrechtliche Regelungen verletzt werden.

Dies bedeutet nicht, dass es keine Informationsansprüche zum operativen Beratungsgeschäft als solche geben wird. Es kann ein Reporting gegenüber dem Investor erfolgen, bei welchen keine (konkreten) Informationen zu den einzelnen Mandaten preisgegeben werden.

Dies erscheint gerade am Verbraucherrechtsmarkt im Gesellschaftsverhältnis durchaus darstellbar, da es sich hierbei um ein Massengeschäft handelt, so dass der Investor kein weitergehendes Interesse an Informationen aus einzelnen Mandaten haben wird. Vielmehr wird ihn bspw. mehr interessieren, wie sich die Mandatszahlen, Umsätze und Margen in den einzelnen Rechtsgebieten bzw. Fall-Clustern entwickeln.

Wie wäre ein möglicher Konflikt mit den Gesellschafterrechten zu bewerten?

Es ist nicht auszuschließen, dass in Einzelfällen Konflikte über die Reichweite der Einflussnahme durch den Investor auftreten. Allerdings ist die Konfliktlage keine grundlegende andere als im heutigen Verhältnis der Rechtsanwälte zu ihren etwaigen Kooperationspartnern. In dieser Hinsicht gibt es schon heute widerstreitende Interessenlagen zwischen den Kooperationspartnern und den Mandanten.

Die Praxis zeigt jedoch einerseits, dass die Partner sich der widerstreitenden Interessenlagen von vornherein bewusst sind und es keine Bestrebungen gibt, sich rechtswidrig zu verhalten. Einerseits versuchen die Kooperationspartner nicht, den Rechtsanwalt zu rechtswidrigen Verhaltensweisen zu drängen. Es ist beispielsweise in der Praxis nicht denkbar, dass eine Rechtsschutzversicherung versucht, Einfluss auf die Mandatsarbeit des durch den Versicherungsnehmer bevollmächtigten Rechtsanwalts zu nehmen, um ein kostengünstiges Ergebnis zu erzielen.

Andererseits zeigt die Praxis, dass die Rechtsanwälte in der Lage sind, mit diesem Spannungsfeld umzugehen, ohne dass es zur Verletzung von berufsrechtlichen Pflichten kommt.

Dies wird sich auch bei direkten Beteiligungen nicht ändern, da die wirtschaftliche Abhängigkeit teilweise sogar geringer sein wird als bei einer Kooperation. Ein bereits beteiligter Investor hat sein Investment in die Berufsausübungsgesellschaft eingebracht. Die Möglichkeit der operativen Einflussnahme hat er nur im Rahmen des geltenden Rechts. Sofern die beruflich aktiven Rechtsanwälte sich versuchen der Einflussnahme aufgrund von gesetzlichen Vorschriften verweigern, begründet dies kein Recht des Investors, das Investment “aufzukündigen”. Hingegen kann ein Kooperationspartner jederzeit der Berufsausübungsgesellschaft die Kooperation aufkündigen und damit in der Regel die wirtschaftliche Grundlage entziehen, wenn dieser sich nicht “wie gewünscht“ verhält.

Auch ist zu berücksichtigen, dass in anderen daten-sensiblen Bereichen Beteiligungen möglich sind, wie beispielsweise an Banken- oder Versicherungsgesellschaften. Auch dabei besteht die abstrakte Gefahrenlage, dass das operativ tätige Management Daten bzw. Informationen aus dem Kundenverhältnis an Investoren rechtswidrig weitergibt. Die Praxis zeigt jedoch, dass dies nicht passiert, sondern vielmehr die Banken- oder Versicherungsgesellschaften sich strikt innerhalb der gesetzlichen Regelungen bewegen. Es ist kein Grund ersichtlich, warum sich ausgerechnet Rechtsanwälte abseits der geltenden berufsrechtlichen Regelungen bewegen sollten.

 

b) Müssten mögliche Kontroll- und Beschlussrechte des Investors auf nichtmandatsbezogene Angelegenheiten beschränkt werden? Wären darüber hinaus weitere Beschränkungen erforderlich?

Wie bereits mehrfach dargestellt, ist zwischen der gesellschaftsrechtlichen und berufsrechtlichen Ebene zu unterscheiden, wobei die berufsrechtlichen Regelungen die Möglichkeiten der berufsrechtlichen Ebene bestimmen bzw. einschränken.

Dies dürfte schon nach der aktuellen Rechtslage aufgrund der entsprechenden berufsrechtlichen Pflichten sichergestellt sein. Allerdings kann eine Klarstellung durch den Gesetzgeber erwogen werden.

Derartige Klarstellungen werden weder eine Berufsausübungsgesellschaft davon abhalten, Wagniskapital durch die Beteiligung eines Investors aufzunehmen, noch einen Investor davon abhalten, in die Berufsausübungsgesellschaft zu investieren.

c) Wie sollte mit möglichen Interessenkonflikten umgegangen werden, die die wirtschaftlichen Interessen der mittelbar beteiligten Personen betreffen?

Beispiel: Ein Private Equity Fond hält Anteile an einer Berufsausübungsgesellschaft. Darf die Berufsausübungsgesellschaft ein Mandat übernehmen, das eine Klage gegen a) den Investor, b) eine seiner Tochtergesellschaften oder c) die Muttergesellschaft beinhaltet?

Gemeint ist hier sicherlich: “die die wirtschaftlichen Interessen der unmittelbar beteiligten Personen betreffen”?

Auch bei dieser Frage ist zunächst zu bemerken, dass es kaum einen praxisrelevanten Fall geben wird, bei welchem die Berufsausübungsgesellschaft – wenn ein solches Mandat denn überhaupt an diese herangetragen wird – dieses annehmen würde. Es dürfte keinerlei Motivation geben, derartige Unruhe in das Verhältnis zu dem mittelbar beteiligten Investor zu bringen.

Ferner dürften der Mandatsführung bei derartigen Klagen schon nach bestehender Rechtslage gängige Berufspflichten sowie – zumindest bei Klagen gegen den Investor direkt – gesellschaftliche Treuepflichten entgegenstehen. Ferner dürften entsprechende Mandatsannahmen wohl auch aufgrund von vertraglichen Pflichten aus dem Investmentvertrag nicht möglich sein.

Jedoch kann eine Klarstellung durch den Gesetzgeber erfolgen, dass derartige Klagen nicht zulässig sind. Dies wird keine Berufsausübungsgesellschaft davon abhalten, Wagniskapital durch einen mittelbar beteiligten Investor anzunehmen.

d) Sehen Sie in Bezug auf mögliche Risiken weiteren Regelungsbedarf, der bisher nicht genannt wurde?

Es stellt sich die Frage, ob mit einer Ermöglichung der Fremdbeteiligung auch Nicht-Anwälten die Möglichkeit eingeräumt wird, Geschäftsführer einer Berufsausübungsgesellschaft (wie einer Rechtsanwalts-GmbH) zu sein. In diesem Zusammenhang erscheinen mandatsbezogene Informationsrechte eines solchen Geschäftsführers problematisch. Diese Gefahrenlage müsste reguliert werden. Zur Vermeidung der Gefahrenlage sind gesetzliche Regelungen denkbar, nach denen entweder nur Rechtsanwälte Geschäftsführer einer Berufsausübungsgesellschaft sein können (auch wenn sich im Gesellschafterkreis Nicht-Rechtsanwälte befinden) oder die berufsrechtlichen Vorschriften auch für den nicht-anwaltlichen Geschäftsführer einer Berufsausübungsgesellschaft gelten.

Ferner ist eine erhöhte Transparenzpflicht in Betracht zu ziehen. Denkbar wäre, dass der Investor auf dem Briefkopf ausgewiesen werden muss oder der Mandant bei der Mandatsannahme – beispielsweise im Rahmen der Vollmacht oder der Mandatsbedingungen – über das Bestehen eines Investors aufgeklärt werden muss.

 

D. Gesamtbetrachtung

1. WÄRE EINE DER UNTER C. GENANNTEN OPTIONEN AUS IHRER SICHT VORZUZIEHEN ODER BEWERTEN SIE KEINE DER OPTIONEN ALS ZIELFÜHREND? BITTE BEGRÜNDEN SIE IHRE ANTWORT

Zunächst dürfte die Option 1 nicht geeignet sein, die gewünschten Effekte herbeizuführen. Diese Option kann vor allem eine wirtschaftliche Absicherung von “Ruheständlern” ermöglichen, kann aber keine Anreize für Wagniskapital schaffen, welches in digitale Strukturen investiert wird.

Die Option 2 dürfte keinen Vorteil gegenüber direkten Beteiligungen bieten, da die abstrakten Gefahren, welche eine Beteiligung von Investoren mit sich bringt, durch mittelbare Beteiligungen eher verstärkt werden. Dies gilt insbesondere angesichts der eingeschränkten Transparenz von mittelbaren Beteiligungen.

Damit ist die Option 3 als vorzugswürdig zu erachten. Sie ermöglicht die Aufnahme von Wagniskapital. Solches Wagniskapital ist dringend notwendig, um die digitale Transformation voranzutreiben und die Anwaltschaft gegenüber den anderen Stakeholdern am (nationalen) Verbraucherrechtsmarkt, wettbewerbsfähig zu machen. Im Gegensatz zu der Option 2 ist eine Transparenz sichergestellt.

Die abstrakte Gefahr von widerstreitenden Interessenlagen ist im Rechtsmarkt nicht neu. Die Praxis zeigt, dass dieses Spannungsfeld legal gelöst wird. Dies wird sich durch direkte Beteiligungen nicht ändern.

Auch andere daten-sensible Bereiche haben gezeigt, dass keine rechtswidrigen Einflussnahmen von Investoren vorgenommen werden. Es ist kein Grund ersichtlich, warum sich ausgerechnet Rechtsanwälte im Fall der direkten Beteiligung eines Investors abseits der geltenden berufsrechtlichen Regelungen bewegen sollten.

2. SEHEN SIE DARÜBER HINAUS WEITERE BISHER NICHT BESCHRIEBENE OPTIONEN, WIE EINE LOCKERUNG DES FREMDBESITZVERBOTES GESTALTET WERDEN KÖNNTE?

Eine weitere Option wäre, keine Begrenzung auf bestimmte Prozentsätze (wie bspw. auf 25 %) vorzunehmen. Letztlich lässt sich kein plausibler Grund finden, sich auf einen bestimmten Prozentsatz festzulegen, zumal es möglich ist, den Gesellschaftsanteil von dem Stimmenanteil zu entkoppeln. Denkbar wären deshalb Regelungen, die auf eine Begrenzung auf bestimmte Prozentsätze verzichtet, jedoch zumindest einen Berufsträger als Gesellschafter fordert und den Berufsträgern bei bestimmten Entscheidungen oder auch generell die Mehrheit der Stimmenanteile vorbehält.