Berlin, 27. Juni 2025

Stellungnahme des Legal Tech Verband Deutschland

Zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung einer elektronischen Präsenzbeurkundung

Einleitung

Der Legal Tech Verband Deutschland (im Folgenden „Verband“) vertritt die Interessen der Legal Tech-Branche in Deutschland mit dem Ziel, Innovation, Digitalisierung und Zugang zum Recht zu fördern. Der Verband begrüßt ausdrücklich die Gelegenheit, zum vorliegenden Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz Stellung zu nehmen.

Der Entwurf greift das im Koalitionsvertrag verankerte Ziel auf, die Digitalisierung der Justiz konsequent voranzutreiben und sieht eine grundlegende Modernisierung des notariellen Beurkundungswesens durch die Einführung elektronischer Präsenzbeurkundungen vor. Dies ist ein dringend notwendiger Schritt, um Medienbrüche zu reduzieren, rechtliche Prozesse effizienter zu gestalten und das Vertrauen in digitale rechtsstaatliche Verfahren zu stärken.

In dieser Stellungnahme wird zur besseren Lesbarkeit überwiegend das neutrale Maskulin verwendet. Selbstverständlich sind damit stets alle Geschlechter gemeint.

Grundsätzliche Bewertung und Einordnung

Der Verband unterstützt das Ziel, notarielle Verfahren durch elektronische Dokumentation effizienter, transparenter und zugänglicher zu gestalten. Die Einführung einer elektronischer Präsenzbeurkundung ist eine dringende Antwort auf die Anforderungen einer digitalisierten Gesellschaft. Die geplanten Änderungen sind geeignet die Digitalisierung der Justiz zu beschleunigen und die Weiterverarbeitung beurkundeter Dokumente medienbruchfrei zu ermöglichen. Die Neuregelung macht das Beurkundungswesen anschlussfähig an moderne Verwaltungs- und Unternehmensprozesse.

Die praktische Umsetzbarkeit wird wesentlich von der Verfügbarkeit anwenderfreundlicher, interoperabler Software abhängen. Die Integration in bestehende Kanzleisoftware sollte technisch und rechtlich möglich sein und bleiben. Wir regen an, das Gesetz und die dazugehörigen Verordnungen so auszugestalten, dass die Nutzung von interoperablen, standardisierten Schnittstellen ermöglicht wird. Nur so lassen sich praxisgerechte, wirtschaftlich tragfähige und zukunftsfähige Lösungen entwickeln, sodass Legal Tech auch im Bereich notarieller Prozesse funktionieren kann. Unsere, in einer Arbeitsgruppe organisierten, Mitglieder arbeiten bereits aktiv an der Entwicklung von Schnittstellenstandards für rechtsnahe, digitale Verfahren. Es ist essenziell, Legal TechAnbieter frühzeitig und systematisch in den Standardisierungsprozess einzubinden. Standards, die an der Realität von Softwareanbietern und Nutzern vorbeigehen, verhindern Innovation, statt sie zu fördern. Die Nutzerfreundlichkeit muss in das Zentrum der technischen Umsetzung gestellt werden. Ein offener, inklusiver Zugang zu rechtsstaatlichen Verfahren trägt dazu bei, das Vertrauen der Bevölkerung in staatliche Institutionen zu stärken und demokratische Teilhabe zu sichern. Gleichzeitig geht uns der Entwurf nicht weit genug und die Möglichkeiten zur Fernbeurkundung sollten deutlich ausgeweitet werden. Die pandemiebedingten Erfahrungen mit digitalen Verfahren haben gezeigt, dass auch komplexe Beurkundungssachverhalte sicher und effizient online abgebildet werden können.[1] Eine moderne Gesetzgebung sollte diese Praxis dauerhaft ermöglichen und vorantreiben.

Darüber hinaus sollte das elektronische Beurkundungsverfahren auf die im Geschäftsverkehr beteiligten Personen ausgeweitet werden. So können derzeit Banken beispielsweise Löschungsbewilligungen digital erstellen, müssen die Signatur aber weiterhin persönlich beim Notar bestätigen lassen – obwohl dies technisch längst elektronisch möglich wäre. Auch Hausverwalter müssen bei Zustimmungen noch auf physische Präsenz zurückgreifen. Hier würde sich eine Möglichkeit zur elektronischen Unterschriftsbeglaubigung anbieten, um Effizienzpotenziale vollständig auszuschöpfen.

Internationaler Vergleich

Internationale Erfahrungen zeigen, dass eine konsequente Digitalisierung des Beurkundungswesens rechtssicher und nutzerfreundlich umsetzbar ist. Estland beispielsweise erlaubt bereits seit Jahren vollständig digitale notarielle Vorgänge inklusive Fernidentifikation, elektronischer Signatur und Dokumentenspeicherung – mit positiver Resonanz bei Bürgern, Unternehmen und Verwaltung.[2] Auch in der Schweiz wird seit 2020 an der schrittweisen Einführung elektronischer Beurkundungen gearbeitet, wobei besonderer Wert auf die Integration in bestehende Systeme und klare technische Standards gelegt wird.[3]

Fazit

Wir begrüßen den Entwurf als wichtigen Schritt in Richtung einer modernen, digitalen Justiz und eines bürgerfreundlichen Rechtsstaats. Die Einführung einer elektronischen Präsenzbeurkundung ist geeignet, Effizienzprobleme zu heben, den Zugang zum Recht zu verbessern und den digitalen Wandel auch im notariellen Bereich aktiv zu gestalten.

Damit das Gesetz seine volle Wirkung entfalten kann, braucht es allerdings eine rechtlich und technisch zukunftsfeste Ausgestaltung. Der Fokus sollte dabei auf Nutzerfreundlichkeit, Sicherheit, Interoperabilität und Offenheit für technische Innovationen liegen.

Bei Rückfragen und den weiteren fachlichen Austausch stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung.

 

[1] https://www.bnotk.de/aktuelles/details/erste-online-gruendung-einer-gmbh-in-deutschland-2

[2] https://e-estonia.com/solutions/estonian-e-identity/id-card/, https://www.de.digital/DIGITAL/Redaktion/DE/Stadt.Land.Digital/Beitraege/BestPracticeProjektwettbewerb/egovernment-in-estland.html

[3] https://www.bj.admin.ch/bj/de/home/wirtschaft/e-beurkundungen.html, https://www.sem.admin.ch/bj/de/home/wirtschaft/beurkundungsverfahren.html