Berlin, 29. Juli 2025

Stellungnahme des Legal Tech Verband Deutschland

zum Entwurf des Gesetzes zur Digitalisierung des Vollzugs von Immobilienverträgen, der gerichtlichen Genehmigungen von notariellen Rechtsgeschäften und der steuerlichen Anzeigen der Notare

Einleitung

Der Legal Tech Verband Deutschland (im Folgenden „Verband“) vertritt die Interessen der Legal Tech-Branche in Deutschland mit dem Ziel, Innovation, Digitalisierung und Zugang zum Recht zu fördern. Der Verband begrüßt den vorliegenden Referentenentwurf zur Digitalisierung des Vollzugs von Immobilienverträgen, gerichtlicher Genehmigungen notarieller Rechtsgeschäfte und steuerlicher Anzeigen der Notare (e-Nova-Gesetz) ausdrücklich als wichtigen Schritt hin zu einer zeitgemäßen, digital gestützten Rechtsanwendung.[1] Die geplante elektronische Abwicklung von Genehmigungen, Anzeigen und Mitteilungen zwischen Notariat, Verwaltung, Justiz und Finanzbehörden ist ein notwendiger Schritt, um momentan noch bestehende Medienbrüche zu verhindern und Bürokratiekosten zu reduzieren.

Der vorliegende Entwurf eröffnet in Bezug auf die Förderung von digitalen Innovationen im Rechtsbereich erhebliche Potenziale. Gleichzeitig lässt er Fragen hinsichtlich der technologischen Umsetzung, des Innovationsrahmens und der Einbettung in das Berufsrecht (u.a. RDG, BnotO, DONot ) offen. Legal Tech-Anbieter, insbesondere die, deren Modelle mit Schnittstellen zur notariellen und gerichtlichen Infrastruktur arbeiten, werden von den Regelungen maßgeblich betroffen sein. Die Ausgestaltung sollte daher praxistauglich, interoperable und innovationsfreundlich erfolgen.

Grundsätzliche Bewertung und Einordnung

Der Referentenentwurf des e-Nova-Gesetzes ist ein wichtiger Baustein zur Modernisierung der rechtsstaatlichen Infrastruktur im Bereich des Grundstücksverkehrs. Der Fokus liegt auf Digitalisierung, es werden einheitliche Standards für den elektronischen Austausch zwischen Notariat, Behörden und Gerichten geschaffen. Diesem Bereich, der bisher stark papiergebunden war, wird ein struktureller Wandel ermöglicht, der sowohl die Datenqualität als auch die Effizienz der Verfahren deutlich steigern kann.

Allerdings bleibt der Entwurf hinter den Möglichkeiten einer offenen, innovativen Rechtsdigitalisierung zurück. Legal Tech-Anbieter und digitale Plattformen, die heute bereits rechtsnahe Dienstleistungen im Immobilienbereich erbringen, werden in dem geplanten Gesetz nicht berücksichtigt. Auch bleibt nach wie vor unklar, inwieweit technische Schnittstellen zugänglich, dokumentiert und nutzbar gemacht werden. Damit birgt der Entwurf zwar die Möglichkeit einer digitalen Verwaltungsmodernisierung, gleichzeitig könnten jedoch bestehende Potenziale marktwirtschaftlicher, datengetriebener Innovationen ausgeschlossen werden. Die Anschlussfähigkeit bestehender Systeme und Modelle ist essenziell für eine tragfähige und nachhaltige Digitalisierung der Justiz und Rechtsdienstleistungen. Unsere aus Verbandsmitgliedern bestehende Schnittstelle-Arbeitsgruppe weist regelmäßig auf die Bedeutung eines kooperativen Ökosystem für eine nachhaltige digitale Transformation im öffentlichen Sektor hin.  Gerne laden wir Sie ein, weitere Schritte in diesem Verfahren im Rahmen unseres Arbeitskreises, gemeinsam voranzutreiben.

Handlungsempfehlungen

  1. Technologische Öffnung und Einbindung von Legal Tech-Unternehmen

Der Entwurf verweist zwar auf die Nutzung von EGV- und Elster-Infrastruktur, enthält jedoch keine Vorkehrungen zur Integration externer technischer Lösungen. Legal Tech-Anbieter, die bereits bei der digitalen Vertragsabwicklung oder Datenverarbeitung eine Rolle spielen, benötigen standardisierte und zugängliche Schnittstellen.

à Ein Vorschlag wäre hier die Ergänzung einer Innovationsklausel zur technischen Integration zertifizierter Drittanbieter über standardisierte APIs, z.B. nach dem Modell von „XJustiz“. Zusätzlich erachten wir die Einführung eines Registers für interoperable Legal Tech-Dienste zur Anbindung an das notarielle Umfeld als sinnvoll.

  1. Schaffung von Rechtssicherheit an den Schnittstellen zum RDG

Die elektronische Übermittlung strukturierter Daten und digitaler Dokumente wirft Fragen hinsichtlich der Reichweite des Rechtsdienstleistungsgesetzes auf, bspw. dann wenn vorbereitende Datenerhebung und Übermittlung durch nicht-anwaltliche Dritte erfolgt.

à Um diesen Unsicherheiten zu begegnen könnte als nächster Schritt das RDG dahingehend evaluiert und angepasst werden, um die Reichweite der erlaubnisfreien technischen Unterstützung bei der Vorbereitung, Übermittlung und Verwaltung strukturierter Rechtsdaten zu klären.

  1. Klarstellung der berufsrechtlichen Verantwortlichkeiten

Durch die elektronische Übermittlung von Dokumenten, die rechtsrelevant sind, verschieben sich Zuständigkeiten und Risiken – insbesondere bei technischen Fehlern oder unvollständigen Daten.

à Um diese Zuständigkeiten zu adressieren könnten in der BNotO und DONot eine Klarstellung oder ergänzende Verwaltungsvorschriften festgehalten werden, wie sich elektronische Übermittlungspflichten mit der berufsrechtlichen Verantwortung der Notare und potenzieller technischer Dienstleister vereinbaren lassen.

  1. Regulierung von Störfällen und hybriden Verfahren

Der Entwurf verweist nur pauschal auf technische Störfälle. Für den Fall, dass digitale Systeme ausfallen oder bestimmte Verbindungen technisch nicht möglich sind, sind klare Ersatzregelungen nötig.

à Im Gesetz selbst sollten daher verbindliche Fallback-Regelungen ergänzt werden. So etwa die Nutzung hybrider Verfahren mit qualifiziertem Nachreichungsrecht.

  1. Förderung von europäischer und internationaler Interoperabilität

Der Entwurf bezieht sich auf die Verpflichtung zur Datenlieferung an Eurostat (EU-Verordnung 2016/792), nutzt die Gelegenheit aber nicht, internationale Schnittstellen (z.B. EULIS oder zukünftige europäische Immobilienregister) zu adressieren. Unser Vorschlag ist die Einrichtung eines Beirats zur europäischen Interoperabilität im digitalen Rechtsverkehr, die Verpflichtung international kompatible Datenformate und einheitliche Terminologien (z.B. nach „Core Vocabularies“ der EU-Kommission) zu verwenden.

Fazit

Das e-Nova-Gesetz hat das Potenzial, für die digitale Transformation rechtlicher Infrastrukturen wegweisend zu werden. Es adressiert bestehende Effizienzdefizite im Grundstücksverkehr und setzt auf strukturierte Daten und sichere Kommunikationswege. Der Verband unterstützt diese Entwicklung ausdrücklich. Gleichzeitig appellieren wir an den Gesetzgeber, über die rein technische Modernisierung hinauszugehen und ein innovationsförderndes Rechtsumfeld zu schaffen, das gleichermaßen auch Legal Tech-Anbieter, Plattformakteure und moderne hybride Geschäftsmodelle berücksichtigt. Digitale Transformation bedeutet mehr als „digital statt analog“. Sie erfordert Offenheit für neue Rollen, Kooperationsformen und digitale Marktakteure. Diesen Prozess begleiten wir gerne mit unserer Expertise und der unserer Mitglieder, um mit vereinten Kräften eine interoperable, sichere und innovationsfreundliche Rechtsdigitalisierung voranzutreiben.

Bei Rückfragen und den weiteren fachlichen Austausch stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung.

[1] In dieser Stellungnahme wird zur besseren Lesbarkeit überwiegend das neutrale Maskulin verwendet. Selbstverständlich sind damit stets alle Geschlechter gemeint.