Berlin, 27. Oktober 2025

Stellungnahme des Legal Tech Verband Deutschland zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung aufsichtsrechtlicher Verfahren und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe

Einleitung

Der Legal Tech Verband Deutschland (im Folgenden „Verband“) vertritt die Interessen der Legal Tech-Unternehmen und digitalen Rechtsdienstleister in Deutschland mit dem Ziel, Innovation, Digitalisierung und Zugang zum Recht zu fördern.

Der vorliegende Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz enthält eine Vielzahl von Änderungen im Berufsrecht der rechtsberatenden Berufe. Diese reichen von Verfahrensvereinheitlichungen in der Aufsicht über Kammern bis hin zu substanziellen Anpassungen im Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) und bei den zulässigen Gesellschaftsformen für Berufsausübungsgesellschaften.

Der Verband begrüßt die Modernisierungsabsicht und das Ziel, bestehende Regelungen zu vereinheitlichen und zu entbürokratisieren. Zugleich betrifft der Entwurf mehrere Kernfragen der künftigen Rechtsdienstleistungslandschaft, insbesondere dort, wo Berufsrecht und Digitalisierung zusammenwirken.

Allgemeine Bewertung

Die Neuordnung der aufsichtsrechtlichen Verfahren schafft Rechtsklarheit und trägt dazu bei, Verfahren der Berufskammern transparenter und rechtssicherer zu gestalten. Auch der vorgesehene Abbau von Bürokratie, etwa bei der Zulassung von Syndikusanwältinnen und -anwälten, ist zu begrüßen.

Kritisch zu sehen ist, dass der Entwurf den digitalen Wandel des Rechtsmarkts nur am Rande berücksichtigt. Die Rechtsdienstleistungsbranche befindet sich in einem strukturellen Umbruch, mit hybriden Modellen, Plattformlösungen und KI-gestützter Rechtsbearbeitung. Diese Entwicklungen sollten ausdrücklich als Teil eines modernen Berufsrechts verstanden und begleitet werden. Vor diesem Hintergrund ist es zentral, dass das Berufs- und Aufsichtsrecht digitaltauglich ausgestaltet wird. Das heißt, dass digitale Verfahren, automatisierte Kommunikation, Schnittstellen und datenbasierte Innovation nicht behindert, sondern ermöglicht werden.
Digitaltaugliches Recht bedeutet:

  • rechtssichere digitale Prozesse,
  • medienbruchfreie Kommunikation zwischen Berufsangehörigen, Aufsichtsbehörden und Justiz,
  • technologieneutrale Normen, die Innovationen zulassen, und
  • transparente, nutzerfreundliche Verfahrenswege.

Der Verband plädiert daher für eine konsequent digitaltaugliche Ausgestaltung der berufsrechtlichen und aufsichtsrechtlichen Verfahren sowie für eine Weiterentwicklung des Rechtsdienstleistungsrechts, die Rechtssicherheit, Verbraucherinteressen und Innovation in Einklang bringt. Im Folgenden geht der Verband auf die für ihn relevanten Punkte des Entwurfs ein.

Änderungen im Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG)

a)  Erweiterte Sachkundeanforderungen

Der Verband unterstützt das Anliegen, Qualität und Verbraucherschutz bei Rechtsdienstleistungen zu stärken. Bei der Erweiterung der Sachkundeanforderungen an Inkassodienstleister sollte jedoch darauf geachtet werden, dass digitale und interdisziplinäre Qualifikationen angemessen berücksichtigt werden. Digitale Rechtsdienstleistungen beruhen zunehmend auf rechtlicher, technischer und datenbezogener Expertise und sollten im Entwurf entsprechend berücksichtig werden.

b)  Umgehungsverbot und Verhinderungsmöglichkeit bei unbefugter Rechtsberatung

Der Verband begrüßt die Zielrichtung, missbräuchliche Umgehungen des RDG zu unterbinden. Gleichzeitig sollte klargestellt werden, dass automatisierte Systeme oder KI-basierte Vorprüfungen nicht per se als unbefugte Rechtsberatung gelten. Eine solche Klarstellung ist entscheidend, um die Rechtssicherheit digitaler Geschäftsmodelle zu gewährleisten und den Anspruch von mehr Zugang zum Recht nicht im Vorfeld schon einzuschränken.

c)  Informationspflicht bei Nichtverfolgung von Inkassoaufträgen

Die beabsichtigte Transparenz gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern ist sinnvoll. Die Regelung sollte jedoch so ausgestaltet werden, dass sie automatisierte Abläufe (z.B. algorithmische Entscheidungssysteme) nicht faktisch ausschließt. Eine elektronische Mitteilungspflicht würde hier zu mehr Rechtssicherheit führen.

d)  Erhöhung von Bußgeldern und Aufsichtsbefugnissen

Die Verschärfung der Sanktionen gegen unbefugte Rechtsdienstleistungen ist nachvollziehbar. Wichtig ist, dass Aufsichtsmaßnahmen verhältnismäßig bleiben und Innovationen im Rahmen des geltenden Rechts nicht behindern.

e)  Anwendung verbraucherschützender Normen bei Konzerninkasso

Der Verband begrüßt die vorgesehene Ausweitung ausdrücklich. Sie schafft Klarheit und schließt eine bisher bestehende Lücke bei der Anwendung des Verbraucherschutzrechts.

Gesellschaftsrechtliche und berufsrechtliche Neuerungen

a)  Erweiterungen der zulässigen Gesellschaftsformen

Die geplante Öffnung für ausländische Gesellschaftsformen und Gesellschafterkreise ist ein wichtiger Schritt hin zu einem integrierten europäischen Rechtsmarkt. Sie erleichtert internationale Kooperationen und unterstützt die Entwicklung Legal Tech-orientierter Kanzleimodelle, in denen rechtliche und technische Expertise zusammenwirken.

Der Verband regt an, ausdrücklich klarzustellen, dass technologiegestützte Berufsausübungsgesellschaften, etwa Legal Tech Kanzleien mit Software- oder Datenanalyse Komponenten, unter die zulässigen Formen fallen können.

b)  Rechtsdienstleistungs- und Postulationsbefugnis von Berufsausübungsgesellschaften

Die vorgesehene Klarstellung, dass auch Berufsausübungsgesellschaften Rechtsdienstleistungen erbringen und nach Auflösung fortführen können, stärkt Rechtssicherheit und Kontinuität. Der Verband unterstützt diese Regelung ausdrücklich.

Verhältnis zu bestehenden Digitalisierungsinitiativen

Die vorgeschlagenen Änderungen sollten in den größeren Kontext der Modernisierungsagenda der Bundesregierung des Pakts für den Rechtsstaat eingeordnet werden. Für eine zukunftsfähige Regulierung des Rechtsmarkts ist es entscheidend, Interoperabilität und Schnittstellenfähigkeit zwischen den berufsrechtlichen Registern (BRAK, BNotK, Steuerberaterplattform) sicherzustellen. Der Verband empfiehlt, diese Perspektive bereits in der Gesetzgebungsbegründung zu verankern.

Fazit

Der Verband begrüßt die Zielrichtung des Entwurfs, die berufsrechtlichen Verfahren zu vereinheitlichen und Rechtssicherheit zu erhöhen. Entscheidend ist nun, dass die geplanten Änderungen technologieneutral umgesetzt werden und die Dynamik der digitalen Rechtsdienstleistung nicht beeinträchtigen. Ein digitaltaugliches Berufs- und Verfahrensrecht muss Innovation nicht nur zulassen, sondern aktiv ermöglichen.

Das bedeutet:

  • klare, technologieoffene Regelungen, die neue digitale Geschäftsmodelle – von automatisierten Rechtsdienstleistungen bis hin zu hybriden Kanzleistrukturen – abbilden können,
  • rechtliche Rahmenbedingungen, die Daten- und Schnittstelleninteroperabilität fördern, und
  • Aufsichtsverfahren, die digital bearbeitbar, effizient und nutzerorientiert ausgestaltet sind.

Damit unser Rechtsstaat im digitalen Zeitalter leistungsfähig bleibt, braucht es ein Berufsrecht, das Innovation, Verbraucherschutz und Rechtssicherheit in Balance hält.

Wir empfehlen daher:

  1. Eine Klarstellung, dass KI-gestützte oder automatisierte Systeme keine unbefugte Rechtsberatung darstellen.
  2. Eine Anpassung der Sachkundeanforderungen an interdisziplinäre Qualifikationen.
  3. Eine Förderung innovationsfreundlicher Gesellschaftsformen im Berufsrecht.
  4. Eine Evaluierung der RDG-Reformen hinsichtlich ihrer Wirkungen auf Innovation und Zugang zum Recht.
  5. Eine stärkere Verankerung des Leitbilds eines digitaltauglichen Rechts in Berufsrecht und Aufsichtspraxis.

Bei Rückfragen und den weiteren fachlichen Austausch stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung.